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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 1 WF 197/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 323 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 16.07.01 am 05.03.02 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.
Dem Kläger wird für seine Abänderungsklage, soweit er ab April 2002 Herabsetzung des titulierten Unterhalts erstrebt, Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwältin Rückert in Weilburg beigeordnet. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe:
Der Kläger hat sich durch notarielle Vereinbarung vom 22.07.1996 zur Zahlung von 375,-- DM Kindesunterhalt und 1.236,-- DM Ehegattenunterhalt (Trennungsunterhalt und auch nachehelicher Unterhalt nach noch bevorstehender Rechtskraft der Scheidung) verpflichtet, jeweils monatlich. Der vereinbarte Kindesunterhalt errechnete sich aus dem Tabellensatz von damals 475,-- DM abzüglich hälftiges staatliches Kindergeld (damals 100,-- DM). Im übrigen waren als Grundlage der Vereinbarung festgehalten ein Nettoeinkommen des Klägers von 3.100,-- DM und der Beklagten von 590,-- DM, wobei bedungen wurde, dass jede Seite ca. 1.000,-- DM hinzuverdienen könne, ohne dass deswegen eine Abänderung verlangt werden könne. Die Vereinbarung enthält im übrigen die Auseinandersetzung des gemeinschaftlichen Hauses nebst Regelung der Verbindlichkeiten und Aufteilung beiderseits bestehender Bausparverträge.
Mit der Klage erstrebt der Kläger Herabsetzung des Ehegattenunterhalts in gestaffelter Höhe, zuletzt auf 801,-- DM monatlich, rückwirkend ab August 2000. Die Beklagte hat ihrerseits Widerklage wegen der Höhe des Kindesunterhalts erhoben und verlangt nunmehr insgesamt 447,-- DM monatlich ab Januar 2001.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht dem Kläger die zugleich beantragte Prozesskostenhilfe für seine Klage mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert und der hiergegen gerichteten Beschwerde des Klägers mit Beschluß vom 06.09.2001 nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. In der Sache hat sie zum Teil, nämlich für den Zeitraum ab April 2002, Erfolg.
Soweit sich der Kläger gegen die Rechtsauffassung des Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluß wendet, ist ihm der Erfolg zu versagen. Der Senat tritt der Rechtsauffassung des Amtsgerichts bei, dass die Vereinbarung wirksam ist und es sich hieran bislang nichts wesentliches geändert hat, was eine Anpassung gemäß §323 ZPO rechtfertigen könnte.
Der Kläger hat sich, wie in der Begründung des angefochtenen Beschlusses zutreffend errechnet, zu wesentlich höheren Unterhaltsleistungen verpflichtet als ihm nach den damals wie heute geltenden Unterhaltsleitlinien zur Ausfüllung der gesetzlichen Bestimmungen betreffend Trennungs- und Nachehelichenunterhalt obliegt. Seine in Anspruch genommene Rechtsunkenntnis ist weder ein Wirksamkeitshindernis für den Vertrag noch rechtfertigt dies eine Anfechtung wegen Irrtums, die überdies auch nicht erklärt worden ist. Er befand sich auch nicht in der Position einer Unterlegenheit, deren Ausnutzung den Makel der Sittenwidrigkeit begründen könnte (§ 138 BGB).
Im Ergebnis lässt sich eine Abänderung auch nicht daraus herleiten, dass sich inzwischen der Bedarf des Kindes und der Selbstbehalt erhöht hat. Dem steht nämlich eine entsprechende Erhöhung seines Einkommens in der Zeit seit Vergleichsschluß gegenüber.
Einen Teilerfolg hat die Beschwerde jedoch aus einer anderen Erwägung heraus. Im April 2002 vollendet das von der Beklagten betreute Kind das 11. Lebensjahr, womit nach allgemeinen Regeln sie eine Obliegenheit zur - wenn auch nicht vollschichtigen - Erwerbstätigkeit haben kann. Eine solche lag dem Vergleich, zu welchem Zeitpunkt das Kind 5 Jahre als war, noch nicht zu Grunde. Insoweit ist durch Zeitablauf inzwischen eine neue Situation eingetreten, die eine Anpassung an geänderte Verhältnisse erfordert.
Der Vergleich enthält seinem Wortlaut nach keine Befristung oder eine Perspektive auf später geänderte Verhältnisse. Gleichwohl kann nach Lage der Umstände nicht zweifelhaft sein, dass die Parteien nicht für alle Zeiten einen Unterhaltsanspruch der Beklagten als getrennt lebende oder später geschiedene Ehefrau in dieser Höhe zugestehen wollten, auch wenn der Unterhaltstatbestand, nämlich Betreuung des gemeinschaftlichen und damals noch kleinen Kindes, entfallen würde. Insoweit stellt die Vereinbarung, auch wenn dies im Text nicht ausdrücklich enthalten ist, eine Momentaufnahme der damaligen Situation dar, gekennzeichnet dadurch, dass die Beklagte wegen der Betreuung des damals 5-jährigen Kindes noch überhaupt keine Erwerbsobliegenheit hatte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Nichtberücksichtigung eigenen Einkommens und die Vereinbarung eines anrechnungsfreien Hinzuverdienstes zu sehen.
Demgegenüber haben sich die Verhältnisse nunmehr verändert, als das Kind zu dem angegebenen Zeitpunkt das 11. Lebensjahr vollendet, mit welchem Zeitpunkt üblicherweise eine teilschichtige Erwerbsobliegenheit einsetzt. Gründe für die Nichtberücksichtigung von Eigenverdienst, soweit sie einer mögliche und zumutbare teilschichtigen Erwerbstätigkeit nicht übersteigen, sind damit entfallen. Dies rechtfertigt eine Anpassung der Vereinbarung.
Allerdings erlaubt eine Veränderung der Verhältnisse regelmäßig keine Neufestsetzung des ursprünglichen ausgeurteilten oder vereinbarten Unterhalts, sondern lediglich eine Anpassung an die geänderten Verhältnisse. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Grundlagen der ursprünglichen Regelung feststellen lassen. Dies ist hier nicht der Fall. Der vereinbarte Unterhalt ist rechnerisch nicht nachvollziehbar. Auch die eingeholte Auskunft der protokollierenden Notarin erbrachte keine Aufklärung.
Sind aber, wie hier, die ursprünglichen Grundlagen der Unterhaltsregelung nicht mehr auszuklären, ist im Rahmen der Neufestsetzung eine Berechnung nach den jetzt geltenden allgemeinen Regeln vergleichbar einer erstmaligen Festsetzung des Unterhalts angebracht. Bei bislang unstreitigen Erwerbseinkünften des Klägers von nunmehr rund 3.360,-- DM und Unterhaltsansprüchen des Kindes in Höhe des Widerklageantrages erscheint eine Herabsetzung des Unterhalts in verlangter Höhe hinreichend erfolgversprechend, wenn man auf Seiten der Klägerin den von Erträgnissen einer zumutbaren Halbtagstätigkeit ausgeht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs.4 ZPO in Verbindung mit Nr. 1956 Kostenverzeichnis zu § 11 GKG.
Ende der Entscheidung
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